Frauenwaschtag

„Jeden Mittwoch Frauenwaschtag“ informiert mich die Anzeige. Genauer: Frauenwaschtag in Ebstorf. Ich denke sofort an Großmutter Thea und ihre Töchter, meine Tanten, sowie die Hausmädchen und einige Frauen der Flüchtlingsfamilien, die ihre Waschtage noch bis Ende der 50er Jahre „drüben" verbrachten. Drüben in der „Waschküche" neben dem Holzstall. Dichter Dampf schlängelte sich in Schwaden aus der Tür, begleitet vom Kernseifengeruch, der schon den Riechenden sich sauberer fühlen lässt. Und unheimlich viel Lachen und Gelächter erinnere ich von drüben. „Frauenwaschtag“ war - offenhörbar - was Wunderbares! Ein Beweis dafür: Zwischen seinen Amtsterminen besuchte auch mein Onkel nach der Schule und mein Großvater in seinem schwarzen Lutherrock den Zauber da drüben. Das Gelächter schwoll dann atlantikwellenförmig nochmals an. Bis die Männer wegen der Störung der Arbeitsabläufe wieder ausgespuckt wurden - in einer Dampfwolke, wie sie auch die vielen Christusfiguren und Heiland-Gestalten auf den Druckbildern im Büro und den Zimmern des Pfarrhauses umnebelte. Zeitweilig dachte ich mir Jesus in solch einer Waschküchenwolke gen Himmel fahren. Erst als ich selbst drüben" Besuch machen durfte, begriff ich, dass Großmutter, die Tanten und Mädchen nicht sich selbst wuschen, wie ich es morgens und abends musste. Sie wuschen nur unser aller Wasche, mit geröteten Unterarmen, knallroten Wangen und viel Reden über die Menschheit. All das fiel mir ein bei der Anzeige aus Ebstorf: „Frauenwaschtag". Dann jedoch war zu lesen: „Inklusive Vorwäsche und Luft- und Ölstandkontrolle“. Das belehrte mich über die heutige Realität ganz neuer Formen von Frauenwaschtagen: Da waschen also nicht die Frauen selbst-schon gar nicht sich sondern sie waschen ihre Autos und kein Mann darf sie stören. Etwa wie ein „Frauenparkplatz", auf den kein Mann darf. Das sei es auch nicht, werde ich belehrt. Die heutigen Frauen, jedenfalls die in Ebstorf, können waschen - lassen! Durch Männer nämlich. Während Großvater, die Onkels und ich, die wir auch so gern „drüben“ waren, letztlich unerwünscht störten, wünschen sich heutige Frauen ihre Wäsche durch Männer. Solches heißt dann „Frauenwaschtag“. Inklusive Frauen-Vorwäsche. Kommen noch die Frauenluftdruckprüfung und Frauenölstandkontrollanzeige hinzu, dann - spinnen wir einmal logisch zu Ende - ist so ein heutiger Frauenwaschtag als fullservice der Männer an den Frauen zu verstehen. Wofür sie auch noch Geld kriegen! Worauf es mir ankommt: In jener Anzeige vom „Frauenwaschtag" steht nicht ein einziges Mal das Wort „Auto". Und eben dies - wurde ich belehrt - sei das Objekt der Wasch-Männer am Frauenwaschtag. Keiner der Männer damals in unserer Waschküche kannte diesen radikalen Bedeutungswandel des „Frauenwaschtags“.

13. Februar 2001